Römische Schatten auf unseren Germanenhütten

Uns ist bewusst, dass dies der Blog des Archäologischen, nicht des Literaturwissenschaftlichen Freilichtmuseums Oerlinghausens ist, aber da die Varusschlacht eines der wichtigsten Ereignisse der Region ist, konnten wir es nicht lassen, uns die Serie „Barbaren“ anzusehen, welche eben diese Schlacht und die Vorgeschichte dazu darzustellen versucht.

Betonung auf versucht.

Karl Banghard hat sich die Serie bereits unter einem archäologischen Gesichtspunkt angeguckt.

Wir wollen das Ergebnis nicht vorweg nehmen, nachlesen könnt ihr also hier.

Nun ist es bei historischen Serien ja so, dass historische und archäologische Ungenauigkeiten meistens mit der Aussage: „Ja, aber die Serie macht ja trotzdem Spaß!“ abgegolten werden.

Wir wünschten, wir könnten das gleiche über diese sagen. Denn sie ist nicht lustig. Sie ist alles andere als spaßig.

Wir wollen uns in dieser Rezension auf drei Hauptpunkte beschränken:

Erstens, die Charaktere – welche Träume, Ziele, verborgene Tiefen könnten sie haben, was bewegt diese Gestalten die wie Arminius und Thusnelda ja fast schon mythologische Züge annehmen? Zweitens, die Handlung – wie sinnvoll ist sie, wie spannend ist es, welch tolle Geschichte können die Drehbuchschreiber uns spinnen. Drittens, die Inszenierung, vor allem die der Schlacht selbst. Wie bringen die Regisseure die Brutalität, den Schrecken der Varusschlacht auf den Bildschirm, wie lässt die Darstellung der germanischen Guerilla-Taktik die Römer vor Angst erzittern und das Publikum vor Spannung an den Rand ihrer Sitzgelegenheit rutschen.

Die Antwort auf all diese Fragen ist einfach: Gar nicht.

Fangen wir bei den Pappausschnitten an, die uns als Hauptcharaktere verkauft werden: da haben wir einmal Folkwin Wolfsspeer (je weniger über dessen Namen gesagt wird, desto besser), unsere unabhängige, progressive, starke Möchtegern-Lagertha Thusnelda und Arminius, der auch dabei ist. Unseren drei verwegenen Helden steht das mächtige Römische Imperium gegenüber, personifiziert durch Publius Quintilius Varus, der in jeder seiner Szenen gegenwärtig ist – mehr lässt sich leider nicht über ihn sagen. Ebenso müssen sie sich gegen Verräter in den eigenen Reihen durchsetzen: wie zum Beispiel Segestes, Fürst der Germanen, dessen einziges Charaktermerkmal sich darin manifestiert, alles anzubaggern was eine rote Tunika und manchmal einen blauen Umhang trägt. Des weiteren müssen sie die zahllosen Germanenstämme (ganze vier an der Zahl) und ihre Anführer (von denen wir zwei namentlich kennen) überzeugen, ihrer Sache beizustehen.

Soweit, so schlecht.

Folkwin Wolfsspeer ist ein originaler Charakter, der von den Serienmachern eigens für die Show entwickelt wurde – dabei benutzen wir das Wort entwickelt in dem Sinne, dass sie einem Namen zwei Merkmale zugedichtet haben und das als Protagonist verkaufen wollen. Folkwin hätte so gerne das Charisma, den Charme und den Witz, aber auch die unterschwellige Bedrohlichkeit und Gerissenheit eines Ragnar Lothbruk. Leider hatten die Drehbuchschreiber für ihn nur schlechte Witze im besten Alarm für Cobra 11-Deutsch die selten das Niveau von Berlin: Tag & Nacht überschreiten, sowie das Bedürfnis ständig irgendwelchen Leuten eine reinzuhauen. Das wäre dann auch schon sein ganzer Charakter und nein, er unterläuft so gut wie keine weiteren Entwicklungen.

Die erhabene Thusnelda wird als die mächtige Kriegerfrau im Stile einer Lagertha, einer Eowyn, einer Daenarys aufgebaut – eine Identifikationsfigur für alle. Leider haben die Schreiber auf den Weg hin vergessen, dass all diese genannten Charaktere Tiefen und Nuance besitzen und auch tatsächlich in der Story aktiv wurden und sie mit ihren Handlungen vorantrieben. Thusnelda tut nichts dergleichen – in einer Szene wo Arminius fasst schon anordnet, dass sie ihn aus strategischen Gründen heiraten muss, bekommen wir nicht einmal ihre Reaktion zu sehen – stattdessen lässt unsere starke, unabhängige Kriegerfrau Folkwin Wolfsspeer Arminius ein blaues Auge verpassen, anstatt das einfach selbst zu tun. Ihr Dialog besteht zu fünfzig Prozent aus derben Macho-Sprüchen, mit einer ungesunden Faszination mit Eiern, die selbst für einen 80er-Jahre Schwarzenegger Film zu abgedroschen wären. Dass sie in jeder Kampfszene vor der letzten Episode stets darauf warten muss, dass Folkwin Wolfsspeer oder ein anderer Mann ihre Feinde tötet, trägt nicht unbedingt zu ihrer angeblich starken, unabhängigen Kriegerfrau-Charakterisierung bei. Die Schreiber scheinen dies zu realisieren, denn sie mussten noch einen anderen Charakter laut proklamieren lassen, dass sie die größte und stärkste Frau in ganz Germanien sei – zu blöd, dass sie nie vorhatten auch etwas von dieser angeblichen Kriegerin zu zeigen.

Und dann haben wir Arminius. Armer, armer Arminius, der eigentliche Protagonist. Die Wandlung seines Charakters könnte einer der interessantesten Handlungsstränge der Serie sein. Was bewegte diesen Ritter des Römischen Imperiums, der rechten Hand von Varus und Präfekt der Römischen Legion dazu, sein Ziehland und seine römischen Genossen für seinen Geburtsstamm zu verraten? Welche Motive könnte er gehabt haben? Welche Konflikte durchlief er? Ganz einfach: er hat seinen gemütlichen Posten in Rom nicht gekriegt und Varus, der in der Serie warum auch immer sein Ziehvater ist, welcher neunzig Prozent seiner Screentime damit verbringt Germanien und seine Bewohner aufs übelste zu beleidigen, sprach zu ihm: „Du bist als Barbar geboren. In Rom kannst du nichts mehr erreichen.“

Das ist die Verrats-Motivation, Damen und Herren. Nicht der mögliche Mord seines leiblichen Vaters Segimer, nicht die brutale Unterdrückung der Germanen durch Rom von der wir außer einer Kreuzigung, einer Hinrichtung eigentlich nur darauf beruhen, dass die Römer die Germanen so dermaßen rassistisch behandeln, dass es schon wieder ins Lächerliche herüberschwappt. Vor seinem endgültigen Verrat jedoch begang Arminius schon einmal Verrat: als er mit einer Gruppe Soldaten Folkwin Wolfsspeer gefangen nehmen und hinrichten soll, bringt Arminius stattdessen seine Legionäre und den Zenturio Metellus (der einzige Charakter mit so etwas wie einer Entwicklung in der Serie) um. Warum tut er dies? Wir wissen es nicht. Er behauptet nachher, dass er nur Folkwin Wolfsspeer retten wollte, weil dieser ihm in einer vorherigen Szene aus der Patsche geholfen hat. Ohne jedoch irgendjemanden zu töten. Oder groben Landesverrat zu begehen. Oder sogar einen seiner eigenen Stammesleute umzubringen. Arminius meint, dass dieser sechsfache Mord, Zitat, „nichts zu bedeuten“ hätte.

Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen.

Zuletzt kommen wir zu Varus. Um den römischen Kaiser Augustus zu paraphrasieren: „Varus, Varus, gib mir meine fünf Stunden Lebenszeit zurück!“

Varus hat quasi keinerlei Präsenz. Er ist weder besonders einschüchternd, noch wirkt er besonders gerissen, charismatisch oder sonst irgendetwas. Es sei denn, er beginnt über Germanen zu reden, dann wird das Publikum mit jedem gesprochenen Wort daran erinnert: „Aha, er ist der Bösewicht.“

Nahezu jeder zweite Satz aus Varus Mund ist so überzogen rassistisch, dass es einfach nur unglaubwürdig und fast Cartoon-mäßig wirkt. Immerhin hat nicht nur Varus dieses Problem, die gesamte Darstellung der Römer krankt daran. Nuancen? Fehlanzeige. Wenigsten sehen ihre Uniformen schick aus, wenn sie nicht von starken germanischen Schwertern mühelos wie Pappmaschee zerfetzt werden. Äußerst historisch naheliegend.

Generell ist die Kostümierung dieser Serie nicht wirklich gelungen. Während die Kritik am Kostüm-Design historischer Serien sich zumeist einfach nur auf diverse Ungenauigkeiten und anachronistische Elemente bezieht, ist es unserer Meinung nach für eine Serie wichtiger, dass die Kostüme Charakter definieren und etwas über die Personen, die sie tragen, verraten.

Was verrät uns die Kleidung des Segestes über diesen cheruskischen Hochadeligen? Dass der cheruskische Hochadel anscheinend so bitterarm ist, dass Segestes die meiste Zeit in einem grauen Wollhemd herumläuft – für besondere Anlässe nimmt er gerne auch eine alte Flickendecke als Umhang. Gleiches gilt für den gesamten Hochadel – man kann den Reik Segimer nicht von einem gewöhnlichen Bauern unterscheiden. Allein Folkwin Wolfspeer tut sich hervor, aber auch nur weil sein Kostüm so aussieht wie das eines Frontmans einer billigen Pagan-Metal Band. Und unsere Dorfhexe, welche den originellen Namen Runa trägt, der in der Serie übrigens nie genannt wird, hat nichts besonders mystisches oder heidnisches an sich: sie sieht aus wie die alte Oma von nebenan, der man einen Eimer Farbe ins Gesicht geworfen und ihr ein paar Knochen in die Hand gedrückt hat. Alles in allem, nur die Römer tun kostüm-mäßig hervor. Es ist allerdings auch nach unserer Ansicht unmöglich, die Römische Legionärs-Uniform zu verhunzen.

Da können wir eigentlich auch schon direkt mit dem Plot weitermachen: Fünf Episoden Aufbau zur sechsten, in welcher die berühmte Schlacht stattfindet. Dieser Aufbau ist langweilig und hat mehr Löcher als Caesar nach den Iden des März. So funktioniert Folkwin Wolfspeers und Thusneldas tollkühner Plan die Standarte der Römer zu stehlen nur, da anscheinend nur Arminius und ein zweiter Legionär das Lager bei Nacht im feindlichen Territorium patrouillieren. Manchen anderen Szenen wiederum merkt man an, dass sie nur existieren, um künstliches Drama zu erzeugen. Paradebeispiel ist Segemers langgezogener und unnötiger Selbstmord durch Ertrinken in einem seichtem Moorgewässer. Segemer soll auf Varus Befehl Arminius als Stammesführer Platz machen. Warum er sich jetzt gleich umbringen muss, weiß auch keiner, vor allem da Segestes, welcher sogleich selbst die Macht ergreift, ohne Probleme abdanken kann. Dabei hätte das Dorf in Segestes Fall sogar allen Grund dazu gehabt den Mistkerl im Moor zu ersäufen. Aber man muss ihn ja für die historische Genauigkeit (und eine eventuelle zweite Staffel) am Leben lassen.

Die Dialoge sind ebenfalls unterirdisch. Sie wirken in dem antiken Setting einfach fehl am Platze und wären viel mehr in einer billigen Krimiserie heimisch – vor allem jedes Wort, das Folkwin Wolfsspeer auf den Bildschirm nuschelt. Gleichzeitig versuchen die Schreiber mit Religion und dem Übernatürlichen zu schmusen – wir selbst fühlen uns unangenehm an die Zeit erinnert, als wir damals als Jugendliche Thorshämmer und Pentagramme getragen und Pagan-Metal gehört und uns danach für wahre Heiden gehalten haben.

Die Schreiber haben vor allem ein seltsames Faible für das Bild des WOLFS. Wir haben nachgezählt: ganze fünfunddreißig Mal in sechs Episoden wird entweder ein Wolf gezeigt oder als Teil einer möchtegernklugen Metapher genannt. Dabei verrennen sich die Schreiber in ihrem Symbolismus so sehr, dass der Wolf gleichzeitig für das freie und starke Germanien, als auch für die zerstörerische Macht Roms steht. Was überhaupt nicht verwirrend ist. Schließlich versuchen sie dies alles auch noch Thusnelda an den Kragen zu schreiben, da sie auf einmal als Seherin und Auserwählte der Götter dargestellt wird. Warum? Weil ein einzelner, betrunkener Brukterer namens Berulf es dem Publikum gesagt hat. Dass Berulf bei der Heldentat gar nicht dabei war, versuchen die Schreiber durch die selten dämliche Zeile: „Ich war im Herzen dabei. Wir alle waren dabei. Die Götter waren dabei. Selbst die Toten waren dabei.“ weg zu erklären. Vielleicht haben ihn deshalb die anderen Brukterer keine fünf Minuten später in einer schlechten Game of Thrones-Anspielung umgebracht. Seiner Glaubwürdigkeit als Erzähler hat dies aber keinen Abbruch getan, den die Brukterer, sowie alle anderen Germanenstämme glauben das Märchen der Seherin Thusnelda. Ohne jeden Beleg dieser Verbindung zu den Göttern.

Obwohl Berulf Folkwin Wolfspeer persönlich überhaupt nicht kennt und in der Szene zuvor noch mit ihm gekämpft hat, ernennt er diesen zum Anführer des germanischen Widerstands und folgt ihm bis zu seinem Tod in der darauffolgenden Episode überall hin. In seiner kurzen Zeit, hat Berulf keine Charaktereigenschaften erwiesen, er war für die Schreiber lediglich ein Vehikel um die spärliche Handlung mit dem wortwörtlichen Holzhammer, beziehungsweise Axt voranzutreiben. Und wo wir schon von Äxten sprechen…


Kommentare

  1. Was für eine großartige Rezession. Selten war ein fachlicher Verriss interessanter geschrieben.

    Anstatt die Serie zu schauen empfehle ich den Beitrag noch einmal zu lesen. Die Serie ist wirklich eine Enttäuschung noch bevor man ins Detail gegangen ist.

  2. Die Nachtgedanken haben mir ein peinliches und langwieriges Spielfilmerlebnis erspart. Vielen Dank für zehn Minuten vergnügliche und spannungsreiche Lektüre.

  3. Die Römer bezeichneten ihre Feinde als Barbaren. Den Barbaren reichte schon das Wort „Römer“.© Martin Gerhard Reisenberg

    Diese Germanen, ja was soll man dazu schreiben: Zu diesen Menschen gibt es eigentlich wenig handfestes; dass was wir wissen, stammt ohne Ausnahme aus den Händen ihrer Feinde. Selbst ihre Sprache scheint nicht einheitlich belegt zu sein…eines scheint sicher, die röm. Botschafter der Spätantike mussten gotisch sprechen um zu ihnen geschickt zu werden. An verschiedenen german. Stammesnamen herrscht über Jahrhunderte kein Mangel aber bis auf die Könige des Markomannenreiches, von welchem nicht mal die Hauptstadt Marobudum verortet ist, nennen röm. Autoren kaum historisch belegbare german. Könige oder Reiche. Bei Kleidung und Töpferware sucht man eine ur-germanische (Helden ggg) Kultur in der Realität oft vergeblich, von einem „nationalen Erwachen“ auch keine Spur…, ehr sind primitive Nachahmung römischer Einrichtungs/Alltagsgegenstände und wie in Osterburken Rechtschreibfehler auf Grab und Weihesteinen nicht unüblich. Man wird ja wohl noch träumen dürfen entgegnet der Filmemacher sicher, aber passen Gauguins „schöne nackte Wilde“ wirklich in eine Serie die als dokuhaft beworben wird und eigentlich nur an die monitären Erfolge der ersten Viking-Staffeln anknüpfen soll?

    Netflix verpasst wirklich eine Chance historisch gut gemachte Germanen zu zeigen, den inneren Zwist in dieser zutiefst zerstrittenen Aldelsgesellschaft zwischen pro-rom und contra-rom Fraktion,und dies zu einer historischen Serie aufzuwerten. Stattdessen…folgt man den Wegen Hollywoods, wo die typischen (nackten) Freiheitskämpfer aus den ebenso-typischen Sümpfen und Bergen, die (pösen) imperialistischen Eroberer bekämpfen. Kennt man schon sehr lange so, ja, wird aber dadurch nicht besser. Schade, da wäre sicher mehr möglich gewesen.

    Also wer will, der schauts halt, aber vorher bitte das typische Bild „Der röhrende Hirsch“ besorgen, einen Krug Met mit Bananengeschmack, dazu den typischen Hörnerhelm aufgesetzt und aus dem Hintergrund den Walkürenritt ertönen lassen; so könnte das ein ur-germanischer Abend werden!

    Sorry Netflix…bitte nicht so!

  4. Danke für die Detaillierte Analyse. So spare ich mir kostbare Lebenszeit.

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